04.01.2017

Kognitive Dissonanz

Ich habe mich im Laufe der letzten zweieinhalb Jahre einige Male gefragt, wie es denn bei erwachsenen Menschen dazu kommen kann, dass sie eine Menge Geld in etwas investieren, dann sehen, dass die Investition ein Fehlschlag war, und dennoch bleiben sie bei ihrer ursprünglichen Meinung, dass das Auftriebskraftwerk funktioniert.

Ich bin bei meiner Suche nach einer plausiblen Erklärung auf den Begriff „kognitive Dissonanz“ gestoßen. Bei Wikipedia wird der Begriff wie folgt beschrieben:

Kognitive Dissonanz tritt unter anderem auf,

  • wenn man eine Entscheidung getroffen hat, obwohl die Alternativen ebenfalls attraktiv waren;
  • wenn man eine Entscheidung getroffen hat, die sich anschließend als Fehlentscheidung erweist;
  • wenn man gewahr wird, dass eine begonnene Sache anstrengender oder unangenehmer wird als erwartet;
  • wenn man große Anstrengungen auf sich genommen hat, nur um dann festzustellen, dass das Ziel den Erwartungen nicht gerecht wird;
  • wenn man sich konträr zu seinen Überzeugungen verhält, ohne dass es dafür eine externe Rechtfertigung (Nutzen/Belohnung oder Kosten/Bestrafung) gibt.

Ist die Dissonanz stark genug, kann ihre Bekämpfung eine dauerhafte Änderung von Einstellungen und Verhalten herbeiführen. Starke Dissonanz entsteht insbesondere bei einer Gefährdung des stabilen, positiven Selbstkonzepts, wenn also jemand Informationen bekommt, die ihn als dumm, unmoralisch oder irrational dastehen lassen. In der Alltagssprache werden solche Momente als peinliche Momente bezeichnet. Kognitive Dissonanz motiviert Personen, die entsprechenden Kognitionen miteinander vereinbar zu machen, wobei unterschiedliche Strategien benutzt werden, wie beispielsweise Verhaltensänderungen oder Einstellungsänderungen. Falls nötig, werden die eigenen Überzeugungen und Werte geändert, was über temporäre Rationalisierungen weit hinausgeht. Der Begriff wurde 1957 von Leon Festinger geprägt, der sowohl die Entstehung als auch die Auflösung von kognitiver Dissonanz theoretisch formulierte. Seither wurde die zugrundeliegende Theorie in mehreren hundert Experimenten bestätigt. Sein Schüler Elliot Aronson hat die Theorie substanziell weiterentwickelt und empirisch untermauert.

Vollständiger Artikel bei Wikipedia

 

Bereits in den Anfängen des Hypes rund um das Auftriebskraftwerk wurde in aller Öffentlichkeit darauf hingewiesen, dass es einen Widerspruch zwischen bisherigen Erkenntnissen der Wissenschaft und dem vorgestellten Auftriebskraftwerk gibt. O-Ton des damaligen Obmanns des Vereins GAIA, Horst Burgstaller, während der Klagenfurter Herbstmesse im September 2014: „Nach gängiger Physik dürfte das, was Sie jetzt hier sehen, nicht wahr sein, es ist aber trotzdem wahr. Bitte nicht das [Auftriebskraftwerk] hinterfragen, sondern die gängige Physik hinterfragen!“

 

 

Zu diesem Zeitpunkt war für die meisten Beteiligten, insbesondere für jene, die Geld in diese „Technologie“ investiert haben, noch nicht klar, dass es tatsächlich nicht funktioniert. Heute, zweieinhalb Jahre später, sollte längst klar sein, dass sich alle Versprechungen in Rauch aufgelöst haben. Es gibt immer noch nirgendwo ein funktionsfähiges Kraftwerk, die Kommunikation des Vereins über das einstige Vorzeigeprojekt wurde komplett eingefroren, dennoch verzichten offensichtlich mehr als 100 Besteller immer noch auf eine Rückzahlung des investierten Geldes. Genau dieses Verhalten wird mit dem Begriff „kognitive Dissonanz“ beschrieben.

Die Wahrnehmung des Offensichtlichen wird verdrängt, umgedeutet, man bestärkt sich im internen Kreis gegenseitig mit „Durchhalteparolen“, man macht die „Energiemafia“ und die „Lügenpresse“ für die negative Berichterstattung verantwortlich ... es wird alles andere dafür verantwortlich gemacht, nur die eigene Sichtweise wird nicht hinterfragt. Es tut weh, zuzugeben, dass man sich geirrt hat. Um diesen Schmerz zu umgehen, ist man sogar bereit, einen finanziellen Verlust in Kauf zu nehmen, dieser schmerzt weniger als der Gesichtsverlust.

Selbst sämtliche (einfach nachvollziehbare) Erkenntnisse der Naturwissenschaften werden dafür geopfert. Kritische Berichterstattungen werden nicht hinterfragt, sie werden „nicht einmal ignoriert“. Bis heute ist kein Vertreter von GAIA (und natürlich auch nicht von ROSCH) auf mich zugekommen und hat Argumente vorgebracht, die meine Behauptungen entkräften könnten. Stattdessen: Wegducken, Ignorieren.

Im oben genannten Wikipedia-Artikel wird ein historisches Beispiel einer intensiven kognitiven Dissonanz beschrieben:

In den 1950er Jahren gab Marian Keech (eigentlich Dorothy Martin) aus Salt Lake City an, Nachrichten von der Außerirdischen „Sananda vom Planeten Clarion“ zu empfangen. Sie scharte in Wisconsin (USA) eine Sekte um sich, die ihren Vorhersagen glaubte, eine gewaltige Flut werde alle Menschen auf der Erde töten und nur die Sektenanhänger würden von fliegenden Untertassen gerettet. Als die prophezeite Flut ausblieb, sah sich die Gruppe der Lächerlichkeit preisgegeben. Statt das Versagen ihrer Führerin zu akzeptieren und sich von ihr abzuwenden, sahen sich die Anhänger in ihrem Glauben nur umso mehr bestärkt. Sie behaupteten, ihre Gebete hätten Gott umgestimmt, und versuchten mit einem Mal fieberhaft, andere Leute zu ihren Ansichten zu bekehren.

Leon Festinger, der gemeinsam mit Stanley Schachter und Henry W. Riecken zum Schein Sektenmitglied war, entwickelte auf Basis dieses Geschehens die Theorie der kognitiven Dissonanz: Nach der persönlichen Überzeugung der Sektenanhänger hätte die Welt in der Flut versinken müssen. Da dies nicht eintrat, sei es zu einer kognitiven Dissonanz zwischen der Erwartung und der Erfahrung der Wirklichkeit gekommen. Um diesen Konflikt aufzulösen, habe es nur zwei Möglichkeiten gegeben: Die eigene Meinung ändern oder die Meinung aller anderen. Für die Anhänger der UFO-Sekte sei nur die zweite Möglichkeit in Betracht gekommen, ergo hätten sie ab da versucht, alle anderen von ihrem Glauben zu überzeugen.

Bei GAIA gibt es offensichtlich immer noch eine ganze Reihe von „UFO-Anhängern“ ...

Je eindeutiger man sich für das GAIA-Projekt ausgesprochen hatte, desto schwerer ist es nun, seine Niederlage (den Irrtum) einzugestehen. Ganz besonders schwer ist es vermutlich für die Verantwortlichen des Vereins.


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